Fachlich benötigt, doch sozial ausgegrenzt
Da es in der Schweiz an Fachkräften mangelt, wurde sie zunehmend attraktiver für gut ausgebildete Arbeitnehmer, die im eigenen Land weniger Chancen haben. Vor allem im Medizinbereich trifft man deshalb heute vorwiegend deutsches Personal an. Doch auch ansonsten hat die kleine Schweiz durchaus ihre Vorzüge. Neben einem guten Lohn und dem hohen Lebensstandard hier, kann sich die Schweiz auch mit ihren Bergen, Seen und all den schönen Ortschaften durchaus sehen lassen. Auf den öffentlichen Verkehr ist (fast) immer Verlass, die Schweizer Küche hat einen guten Ruf und Sauberkeit wird hier grossgeschrieben. Doch kommen viele Deutsche in die Schweiz und sehen in ihr trotzdem bloss ein kleines, ländlicheres Deutschland. Oft sind sie sich gar nicht bewusst, wie viele Dialekte und sprachliche, sowie kulturelle Unterschiede es zu ihrem Heimatland gibt. Das diese Einstellung dann nicht bei allen Eidgenossen gut ankommt ist wohl verständlich. Gleichzeitig habe man es als Deutscher schwer, in der Schweiz eine Wohnung oder einen Job zu finden (bewirbt man sich nicht gerade auf das Inserat einer benötigten Fachkraft). Man werde im Voraus mit weniger Respekt behandelt, sobald das Gegenüber höre, dass man aus Deutschland sei. Ganz allgemein sei eine tiefe Ablehnung zu spüren und dass man hier nicht willkommen ist. Diese fehlende Akzeptanz kann dazu führen, dass man sich immer mehr zu verstellen versucht. Leute, die versuchen, sich im Verhalten zu ent-deutschen oder sich ganz aus Konversationen heraushalten wollen, damit niemand merkt, dass man kein Schweizer ist. So kapselt man sich immer mehr ab und trifft sich nur noch mit den nötigsten Menschen, meist mit den Arbeitskollegen. Auch hier gibt es den Vorwurf vieler Ausländer, dass wir Schweizer ganz klar das private vom beruflichen Leben trennen. Nach der Arbeit verbringt man hier die Zeit mit seinen Freunden und ein Feierabendbier mit den Mitarbeitern komme leider zu selten vor. Doch genau hier wäre für viele die erste Anlaufstelle, um Kontakte zu knüpfen und unter Leute zu kommen.
Ablehnend oder einfach nur vorsichtig?
Die Schweizer bleiben lieber unter sich und tun sich schwer, neue Bekanntschaften zu schliessen. So tönt es jedenfalls. Doch ist dem wirklich so? Sind wir ein wenig asozial und grenzen Fremde lieber zuerst mal aus in dem wir reserviert auftreten? Oder sind wir einfach lieber ein wenig vorsichtiger und begegnen neuen Leuten erstmal mit einer Portion gesundem Misstrauen, einer freundlichen Distanziertheit? Eine Umfrage hat gezeigt, dass die Definition von Freundschaft überall ein wenig anders aufgefasst wird. Während vor allem im Süden schneller Freundschaften geschlossen werden und ein flüchtiger Bekannter schon als Freund angesehen wird, gelten im Norden die Menschen als echte Freunde, mit welchen man auch schon mal ein Geheimnis teilt. Bei uns redet man also nicht gleich von Freundschaft, wenn man jemanden Neues kennenlernt. Dieser Titel muss erst einmal verdient werden und entsteht langsam durch wachsendes Vertrauen, gemeinsames Erleben und gegenseitiges Kennenlernen. So verwundert es auch nicht, dass man in südlichen Ländern eine immens grössere Anzahl Freunde besitzt als bei den nördlichen Nachbarn.
(Gem)Einsam im Alpenland
So kann sich schon bald nach Ankunft in der Schweiz die Ernüchterung einstellen. Es gibt Deutsche, die sich in der Schweiz auch nach Jahren nicht wirklich daheim fühlen. Sie empfinden sich als Person benachteiligt, ausgeschlossen und nicht richtig akzeptiert. Die quälende Einsamkeit drängt sich immer mehr auf, bis man sich entscheidet, der Schweiz den Rücken zu kehren. Dass es bei Weitem nicht allen Deutschen so ergeht, zeigen Erfahrungsberichte jener, die sich hier gut eingelebt haben, vielleicht auch einen Partner kennengelernt und eine Familie gegründet haben und die Bewohner als gastfreundlich und offen erleben.
Man kann sich nun streiten, ob die «benachteiligten» Deutschen einfach überreagieren und schon mit der falschen Einstellung in die Schweiz kommen. Sie gehen vielleicht davon aus, dass man sie hier «eh» schlecht behandelt und provozieren die miese Stimmung bei jeder Gelegenheit herauf. Oder sind es Einzelfälle, die nun aufgebauscht werden? Fakt ist: es gibt nicht DEN Deutschen oder DIE Schweizer, die so ticken und genauso sind. Jeder von ihnen ist erst einmal ein Mensch; und diese gibt es mit ganz individuellen Eigenschaften. Da jeder Mensch soziale Kontakte benötigt (die einen mehr, andere weniger), liegt es in ihrer Natur, zu kommunizieren und gemeinsam etwas zu unternehmen. Wie die negativen Beispiele aus diesem Text zeigen, ist es vor allem wichtig, die richtigen Leute kennenzulernen. Menschen, die einem unsympathisch erscheinen, gibt es immer und überall, sei es nun in der Schweiz, in Deutschland oder in irgendeinem anderen Land. Gleichzeitig gibt es Leute mit denselben Hobbies oder der gleichen Einstellung, die man (noch) nicht kennt, aber vielleicht gleich um die Ecke wohnen würden. Während man früher eher auf den Zufall hoffen musste, diese Menschen zu finden, geht das heute einfach online mittels einer entsprechenden Suchmaschine. Wieso nicht einfach ausprobieren?